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LT-Rede Dringliche Anfrage - Das Recht auf ein faires Verfahren - welchen Wert hat es für die Landesregierung?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 13. Mai 2015 TOP 19 b), Dringliche Anfrage


Das Ermittlungsverfahren gegen den Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Celle ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der niedersächsischen Justiz. Dass es geführt wird, ist eine Belastung für die niedersächsische Justiz und natürlich auch für diejenigen, die davon persönlich betroffen sind.

Das gilt zunächst für den Beschuldigten und sein persönliches Umfeld. Das gilt aber auch für die Ermittler, die in den eigenen Reihen ermitteln müssen. Es gilt für die Zeugen, die ja auch aus der Justiz und teilweise aus dem engen kollegialen Umfeld des

Beschuldigten stammen. Und es gilt für alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz, die den Beschuldigten zum Teil persönlich kennen und nun verunsichert über die Vorwürfe sind.

Ich wiederhole: dieses Ermittlungsverfahren ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der niedersächsischen Justiz.

Als ich im Februar das Parlament und damit die Öffentlichkeit informiert habe, war dieser Schritt unumgänglich. Dies haben auch die Abgeordneten dieses Hauses, die nach meiner Unterrichtung hier im Parlament gesprochen haben, so gesehen und sich für die Unterrichtung ausdrücklich bedankt.

Lassen Sie mich zur Ausgangssituation vor der Unterrichtung des Landtages folgendes in Erinnerung rufen:

Die sogenannten „Durchstechereien“ von schützenswerten Informationen aus den Ermittlungsverfahren gegen Christian Wulff und Sebastian Edathy hatten die Öffentlichkeit und die Politik mit Recht schon seit Monaten intensiv beschäftigt. Man kann sagen: Das Thema stand auf der Tagesordnung und war - gerade auch für die Pressevertreter - von hohem Interesse. Es war bekannt, dass die Justiz in den eigenen Reihen nach einem Leck suchte und der Kreis der Personen, die in Frage kämen, war sehr klein. Die Medien haben das Thema aufmerksam begleitet und regelmäßig nachgefragt, ob es neue Entwicklungen gäbe.

Im Sommer 2014 haben dann Medien davon berichtet, dass ein Bonner Rechtsanwalt Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats erstattet hat. Gegenstand war die Weitergabe von Informationen aus dem Verfahren gegen den Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff. Der Text der Strafanzeige war für jedermann auf der Homepage des NDR nachzulesen. Schon in dieser Strafanzeige tauchte der Name des jetzigen Beschuldigten Dr. Lüttig öffentlich auf.

Ebenfalls im Sommer 2014 hat die Zeitschrift Fokus berichtet, dass die Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig beauftragt sei, sich mit der Strafanzeige zu befassen. Im November 2014 berichtete die Hannoversche Allgemeine Zeitung, dass die Ermittlungen auch für den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig brisant werden könnten.

Ebenfalls im November 2014 war in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgendes Zitat des besagten Bonner Rechtsanwaltes zu lesen: „Dr. Lüttig dürfte als damals zuständiger Abteilungsleiter im Justizministerium mit dem Antrag auf Aufhebung der Immunität persönlich befasst gewesen sein, später muss er als zuständiger Generalstaatsanwalt auch unverzüglich Kenntnis von der Verschärfung der Anklage gehabt haben. Schließlich verfügte er ausweislich seiner regen Interviewtätigkeit zugleich über gute Pressekontakte.“

Das war die Ausgangslage zu Beginn dieses Jahres. Das war die Situation, in die hinein die Staatsanwälte dann tatsächlich ihre Ermittlungen gegen den Leiter der größten Generalstaatsanwaltschaft Niedersachsens, gegen den höchsten Repräsentanten der Ermittler in den Fällen Wulff und Edathy eingeleitet haben.

Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, das wollen Sie allen Ernstes vor den Medien und der Öffentlichkeit geheim halten?

Die Süddeutsche Zeitung hat in ihrer Ausgabe vom 23. Februar 2015 vermutet, hinter den Vorwürfen könnte eine Staatsaffäre stehen.

Staatsaffären gehören nach meinem Amtsverständnis nicht hinter verschlossene Türen!

Ein solches Verfahren gebietet von Beginn an Transparenz gegenüber Parlament und Medien. Nur so ist es ihnen möglich, ihre verfassungsrechtliche Kontrollfunktion auszuüben. Die Unterrichtung war so knapp wie möglich gehalten. Alle weiteren Details des Ermittlungsverfahrens sind, wie Sie alle wissen, im Rechtsausschuss in vertraulicher Sitzung genannt worden.

Die Unterrichtung dieses Hohen Hauses und des Rechtsausschusses war zugleich das Signal, dass die Ermittler und auch mein Haus größten Wert auf ein faires, transparentes Verfahren ohne jedwede politische Einflussnahme legen. Schon der Anschein dieser Einflussnahme musste durch die frühzeitige Offenlegung vermieden werden.

Die Nachricht über die Einleitung des Verfahrens hat mein Haus zu Beginn der laufenden Plenarwoche erreicht. Es wäre weder zulässig noch redlich gewesen, diese Information vor der Öffentlichkeit zu verschweigen.

Sowohl die ermittelnde Staatsanwaltschaft als auch das Justizministerium waren mit fortwährenden Anfragen der Medien konfrontiert. Sie wurden zuvor durchweg wahrheitsgemäß dahin beantwortet, dass es kein Ermittlungsverfahren gab. Nach § 4 des Niedersächsischen Pressegesetzes ist die Landesregierung hierzu aus gutem Grund verpflichtet. Und dies galt natürlich auch für den Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Göttingen einen Anfangsverdacht gegen den Generalstaatsanwalt bejaht hat. Dies geheim zu halten wäre nach § 4 PresseG unzulässig gewesen. Und deshalb gab es keine Alternative zu der von Ihnen jetzt kritisierten Unterrichtung des Parlaments.

Auch wenn die Unterrichtung im Februar unumgänglich war, so ist sie mir doch nicht leicht gefallen. Nicht etwa, weil damals schon absehbar war, dass die Ermittlungen zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen würden. Das kann ich aushalten, und die Ermittlungen werden dadurch nicht beeinflusst. Aber die Auswirkungen auf den Beschuldigten und sein Umfeld sind mir sehr bewusst. Es handelt sich immerhin um einen hochrangigen Beamten meines Geschäftsbereiches. Diese Auswirkungen nicht zu bedenken, liegt sowohl mir persönlich, als auch meinem Amtsverständnis fern. Ich habe deshalb bereits im Februar in meiner Unterrichtung vor diesem hohen Haus ausdrücklich und mit großem Ernst auf die Unschuldsvermutung hingewiesen. Ich kann diesen Hinweis an dieser Stelle nur wiederholen. Es handelt sich nicht um eine Formalie, sondern eine Errungenschaft von Verfassungsrang.

Die in Ihrer dringlichen Anfrage gestellten Fragen beantworte ich wie folgt:

Zur Frage 1:

Die Voraussetzungen dafür, den Namen eines Beschuldigten öffentlich zu machen, verlangen eine Abwägung der Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten und des Informationsinteresses der Öffentlichkeit im Einzelfall.

Zur Frage 2:

In meinen Vorbemerkungen habe ich Ihnen den Grund für die Unterrichtung des Landtages dargelegt. Für Vertraulichkeit war kein Raum.

Zu Frage 3:

Mit ihrer dritten Frage möchten Sie wissen, welche Anstrengungen die Landesregierung unternommen hat um herauszufinden, auf welchem Weg der NDR die Nachricht über die Einleitung der Ermittlungen gegen den Generalstaatsanwalt erhalten hat, kurz bevor ich dieses Haus unterrichtet habe.

Erstens: Die Recherchewege der unabhängigen Medien sind von Art. 5 des Grundgesetzes geschützt und entziehen sich staatlicher Kontrolle. Für Nachforschungen hierzu, erst recht mit den Mitteln des Strafrechts, ist in einem freiheitlichen Rechtsstaat kein Raum.

Zweitens: Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, strafrechtliche Ermittlungen zu betreiben. Ermittlungen durchzuführen ist Aufgabe der Staatsanwaltschaften. Den Staatsanwaltschaften ist der Sachverhalt bekannt. Mir ist ein Sonderwissen in meinem Haus nicht bekannt. Wenn die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz zu dem Ergebnis kommt, dass etwas zu veranlassen ist, dann wird sie das tun. Und wenn sie eine Entscheidung in dieser Angelegenheit trifft, dann wird sie sicherlich berichten. Ich habe keinerlei Anlass, den Staatsanwaltschaften in dieser Hinsicht nicht zu vertrauen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.05.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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