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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Nicht bloß Arbeit, sondern ‚Gute Arbeit‘„ - haben niedersächsische Haftgefangene auch ein Anrecht auf „Gute Arbeit“?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 20. Februar 2015, Mündliche Anfrage Nr. 62


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 62 der Abgeordneten Gabriela König, Jörg Bode und Dr. Marco Genthe (FDP):

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Laut Presseberichterstattung vom 29. Januar 2015 hat Justizministerin Niewisch-Lennartz Vollbeschäftigung in niedersächsischen Justizvollzugsanstalten ausgerufen. 76 % der Gefangenen gehen einer Beschäftigung nach und erhalten ein Entgelt von acht bis 15 Euro pro Arbeitstag. Die Landesregierung spricht immer wieder davon, dass sie faire Arbeitsbedingungen schaffen möchte und dem Missbrauch den Kampf angesagt hat; so z. B. Arbeitsminister Lies am 16. April 2013: „Es geht nicht allein darum, Menschen in Beschäftigung zu bringen, sondern auch um die Qualität der Beschäftigung. Fehlentwicklungen, wie dem sich ausbreitenden Niedriglohnsektor und der Zunahme prekärer Beschäftigung, muss entgegengesteuert werden. Es ist wichtig, nicht bloß Arbeit, sondern ‚Gute Arbeit‘ zu schaffen. Zu ‚Guter Arbeit‘ gehören insbesondere auskömmliche und faire Löhne sowie angemessene und faire Arbeitsbedingungen.“

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie setzt die Landesregierung ihren Qualitätsanspruch an Beschäftigung und Arbeit, also das Leitbild der „Guten Arbeit“, für Insassen (m/w) in den niedersächsischen Haftanstalten um?
  2. Gibt es Menschen in Niedersachsen, die unter der Aufsicht des Landes einer Beschäftigung/Arbeit nachgehen, denen aber zeitgleich und bewusst die umfassenden Qualitätsansprüche der Landesregierung an Arbeit und Beschäftigung, insbesondere auskömmliche und faire Löhne sowie angemessene und faire Arbeitsbedingungen, vorenthalten werden?
  3. Wie bewertet die Landesregierung die Arbeitsergebnisse der Häftlinge in niedersächsischen Haftanstalten, insbesondere in Bezug auf Qualität der Ausführung/Arbeitsleistung, Wirtschaftlichkeit, Motivation der Häftlinge und Resozialisierungspotenzial?

Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Nach den gesetzlichen Vorgaben des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes (NJVollzG) dienen Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung sowie Aus- und Weiterbildung dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten und zu fördern. Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung sowie Aus- und Weiterbildung sind zuvorderst Behandlungsmaßnahmen, die auf die Resozialisierung der Gefangenen zielen. Sie helfen den Gefangenen, den Tag zu strukturieren und haben eine soziale Funktion, weil sie geordnete Kontakte zu Mitgefangenen ermöglichen, das Gemeinschaftsempfinden und die Teamfähigkeit stärken und das Durchhaltevermögen sowie die Konzentrationsfähigkeit fördern.

Dies vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Im Rahmen der Vollzugsplanung (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NJVollzG) wird individuell festgelegt, an welchen Arbeitsmaßnahmen oder Maßnahmen zur schulischen oder beruflichen Aus- und Weiterbildung Gefangene teilnehmen sollen oder müssen. Berücksichtigung dabei finden persönliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG). Einsatz- und Teilnahmemöglichkeiten finden sich z. B. in arbeitstherapeutischen Betrieben, in Produktionsbetrieben, in Qualifizierungs- und Ausbildungsbetrieben sowie in schulischen Maßnahmen. Gefangene, die dafür geeignet sind und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, haben darüber hinaus die Möglichkeit, freie Beschäftigungsverhältnisse einzugehen oder während der Inhaftierung aufrechtzuerhalten.

Die Arbeitssicherheit wird durch den Einsatz vollzugseigener Sicherheitsingenieure gewährleistet.

Die Höhe des Arbeitsentgelts der Gefangenen erfolgt nach Vergütungsstufen (Stufen I bis V), die in der Strafvollzugsvergütungsordnung geregelt sind, und die sich nach dem Schwierigkeitsgrad der auszuübenden Tätigkeit unterscheiden. Gefangene im sog. Leistungslohn können ein höheres Arbeitsentgelt erzielen, wenn sie überobligatorische Ergebnisse erzielen. Darüber hinaus ist es möglich, leistungsstarken Gefangenen Zulagen zu gewähren. Die Bemessung des Arbeitsentgelts für Gefangene ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2002 - 2 BvR 2175/01 - juris Rn. 39 für die Freiheitsstrafe; BVerfG, Beschluss vom 15. März 2004 - 2 BvR 406/03 - juris Rn. 9 ff. für die Untersuchungshaft). Bei einem Vergleich der Verdienstmöglichkeiten von Gefangenen mit denen von freien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist zu berücksichtigen, dass eine Gefangene oder ein Gefangener die Kosten für die Lebensführung nicht aus ihrem oder seinem Lohn heraus bestreiten muss. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 1. Mai 1995 - 2 BvR 646/93 u. a. - juris Rn. 13) führt hierzu aus:

„Anders als bei einem […] freien Arbeitnehmer besteht bei einem Strafgefangenen nicht die Gefahr, dass er […] seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten kann. Denn zur Erfüllung seiner materiellen Grundbedürfnisse ist der Strafgefangene auf seinen Lohn nicht angewiesen.“

Zu 2:

Es ist die erklärte Absicht der Landesregierung für gute und faire Arbeitsbedingungen zu sorgen. Hierzu ist anzumerken, dass sich das diesem Ziel zugrunde liegende Leitbild der „Guten Arbeit“ auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezieht, die eine auf den wirtschaftlichen Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben. Daher gelten die in der Anfrage genannten Qualitätskriterien ausnahmslos für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zum Land Niedersachsen stehen.

Zu 3:

Die Arbeitsergebnisse der Gefangenen fallen unterschiedlich aus. Es gibt leistungsstarke und leistungsschwache Gefangene. Ebenso verhält es sich mit der Arbeitsmotivation, die unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Gefangene sind nicht immer an regelmäßiges Arbeiten gewöhnt und nicht durchweg altersgemäß belastbar. Dies wirkt sich negativ auf die Arbeitsabläufe in den Betrieben aus. Gefangenenarbeit ist deshalb im Lohnsegment der Behindertenwerkstätten und der Heimarbeit anzusiedeln. Auf diese Weise wird der verminderten Leistungsfähigkeit vieler Gefangener Rechnung getragen. Ist eine Gefangene oder ein Gefangener zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, so soll ihr oder ihm eine geeignete arbeitstherapeutische Beschäftigung zugewiesen werden. Auch hierdurch soll das in der Arbeit der Gefangenen liegende Resozialisierungspotential bestmöglich ausgeschöpft werden.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.02.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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