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Antwort auf die Mündliche Anfrage Nr. 19 „Wie wird der Ausgang von Sicherungsverwahrten genehmigt und abgewickelt“?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 24. Oktober 2014, Mündliche Anfrage Nr. 19



Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Otto Deppmeyer und Mechthild Ross-Luttmann (CDU)

Am 2. Oktober 2014 gegen 13 Uhr entwich ein Sicherungsverwahrter der JVA Rosdorf während einer Ausführung am Maschsee in Hannover. Zeitgleich fanden dort die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit statt.

In der Unterrichtung des Ausschusses für Rechts und Verfassungsfragen am 8. Oktober 2014 teilte das Justizministerium mit, dass für die Unterrichtung der Polizeidienststellen über Ausgänge und Urlaub von Sicherungsverwahrten Nr. 39 der Vollzugsgeschäftsordnung anwendbar sei.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie viele und welche Personen entscheiden über die Gewährung von Ausgang oder Ausführungen von Sicherungsverwahrten (Vieraugenprinzip?) nach der Prognoseentscheidung des Prognosezentrums?

  2. Wie viele und welche Personen haben in diesem Fall über den begleiteten Ausgang entschieden?

  3. Welche Polizeidienststellen wurden in diesem Fall im Vorwege über den begleiteten Ausgang des Sicherungsverwahrten unterrichtet?

Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Das Niedersächsische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (Nds. SVVollzG) unter-scheidet bei vollzugsöffnenden Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 Nds. SVVollzG zwischen Begleitausgang, Ausgang, Langzeitausgang, Langzeitausgang zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung, Außenbeschäftigung und Freigang. Die vollzugsöffnende Maßnahme des Langzeitausgangs entspricht weitgehend dem „Urlaub“ als Lockerung des Vollzuges im Vollzug der Freiheits- und Jugendstrafe nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes (NJVollzG).

Der am 02.10.2014 im Bereich des Maschsees in Hannover entwichene und am 08.10.2014 wieder ergriffene Sicherungsverwahrte befand sich auf einem Begleitausgang nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 Nds. SVVollzG. Es handelte sich um seinen dritten Begleitausgang seit dem 19.08.2014. Er wurde von einer erfahrenen Justizvollzugsbediensteten begleitet, deren Aufgabe zuvorderst in der Unterstützung des Sicherungsverwahrten lag.

Die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen setzt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG voraus, dass die Anordnung zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlich ist. Vollzugsöffnende Maßnahmen dürfen nicht angeordnet werden, soweit zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnende Maßnahme zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Besteht keine entsprechende Missbrauchs- oder Fluchtgefahr, haben Sicherungsverwahrte einen Rechtsanspruch auf die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen.

Erwägt die Vollzugsbehörde, einem Sicherungsverwahrten erstmals Begleitausgang zu gewähren, hat sie nach den Niedersächsischen Ausführungsvorschriften für den Straf-vollzug (NAV), die im Vollzug der Sicherungsverwahrung entsprechend gelten, sowohl die für den Wohnsitz des Sicherungsverwahrten zuständige Polizeiinspektion als kriminal-aktenführende Dienststelle als auch die Staatsanwaltschaft als zuständige Vollstreckungsbehörde zu beteiligen (vgl. NAV zu § 11 [StVollzG] Buchst. D IV. in Verbindung mit Buchst. E IV. Satz 2).

Davon zu unterscheiden sind Unterrichtungspflichten nach der Vollzugsgeschäftsordnung (VGO), einer bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift. Die Vollzugsgeschäftsordnung gilt auch im Vollzug der Sicherungsverwahrung, verwendet als bundeseinheitliche Regelung aber nicht den im Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz benutzten Begriff des Langzeitausgangs, sondern spricht insoweit von Urlaub.

Wird einem Sicherungsverwahrten Langzeitausgang, also ein Ausgang für mehr als einen Kalendertag gewährt (vgl. § 16 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 Nds. SVVollzG), ist der Beginn der Eignung für den Langzeitausgang und deren Widerruf nach Nummer 39 Abs. 2 VGO unverzüglich mittels eines dafür bestimmten Vordruckes der für die Justiz-vollzugsanstalt zuständigen Polizeidienststelle mitzuteilen. Hat die Polizei um Mitteilung einzelner Langzeitausgänge ersucht, erfolgt die Mitteilung auch an die Polizeidienststelle des von dem Sicherungsverwahrten angegebenen Aufenthaltsortes.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:

Begleitausgang, Ausgang und Langzeitausgang werden nur gewährt, wenn dies zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 Nds. SVVollzG erforderlich ist. Dafür ist zunächst deren Zweck zu bestimmen. Vor der Gewährung dieser vollzugsöffnenden Maßnahmen werden die Feststellungen und Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung (vgl. § 8 Nds. SVVollzG), die eingeholten Begutachtungen zur Frage der Eignung für vollzugsöffnende Maßnahmen (vgl. § 19 Nds. SVVollzG) sowie andere vorhandene Gutachten ausgewertet, das soziale Umfeld erkundet und die von Polizei und Staatsanwaltschaft eingeholten Stellungnahmen einbezogen. Diese Informationen sowie die aktuellen Erkenntnisse des Sicherheitsdienstes der Vollzugsbehörde, der an der Behandlung beteiligten ärztlichen, psychologischen und sozialen Fachdienste und Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes über die Verhaltensentwicklung des Sicherungsverwahrten werden im Rahmen einer Einzelfall- oder Vollzugsplankonferenz (vgl. § 9 Abs. 3 Nds. SVVollzG) erörtert und fließen in die zu dokumentierenden Entscheidungen ein. Die Erstentscheidung über Begleitausgang, Ausgang und Langzeitausgang hat nach der NAV die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter zu treffen (vgl. NAV zu § 11 [StVollzG] Buchst. E. II. Satz 1 und Buchst. D Abs. 1). Folgeentscheidungen können auf erfahrene Vollzugsabteilungsleiterinnen und Vollzugsabteilungsleiter übertragen werden, sofern sie den Lockerungsstatus der Sicherungsverwahrten nicht ändern.

Stehen der Anordnung vollzugsöffnender Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 Nds. SVVollzG zwingende Gründe entgegen, so haben Sicherungsverwahrte nach § 16 Abs. 4 Nds. SVVollzG einen Rechtsanspruch auf mindestens eine Ausführung im Monat. Ausführungen dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte in erhöhtem Maß die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird und diese Gefahr nicht durch die Beaufsichtigung durch höchstens zwei Justizvollzugs-bedienstete und angemessene besondere Sicherungsmaßnahmen vermieden werden kann (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 3 Nds. SVVollzG).

Welche besondere Sicherungsmaßnahmen für eine Ausführung erforderlich sind, wird im Rahmen einer Einzel- oder Vollzugsplankonferenz vorbereitet und in der Justizvoll-zugsanstalt Rosdorf (Abteilung Sicherungsverwahrung), die nach dem Vollstreckungs- und Einweisungsplan des Justizministeriums für das Land Niedersachsen für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an Männern landesweit zuständig ist, von der Anstaltsleitung angeordnet.

Zu Frage 2:

Die Feststellung der Eignung für Begleitausgang erfolgte im Fall des am 02.10.2014 entwichenen und am 08.10.2014 wieder ergriffenen Sicherungsverwahrten in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf entsprechend der Antwort zu Frage 1. Nach Feststellung der Eignung für Begleitausgang, die im Vollzugsplan vom 14.08.2014 dokumentiert wurde, erfolgte die Vorbereitung nach dem Antrag des Sicherungsverwahrten vom 19.08.2014 durch den zuständigen Wohngruppenleiter und den Vollzugsabteilungsleiter der Abteilung Sicherungsverwahrung, die den Begleitausgang jeweils befürworteten. Die Bewilligung des Begleitausganges erfolgte am 29.09.2014 durch die Anstaltsleiterin.

Zu Frage 3:

Im Vorfeld der Entscheidung über die Erstgewährung von begleiteten Ausgängen wurde entsprechend der Vorgaben der NAV (siehe Vorbemerkung) sowohl die Polizeiinspektion Göttingen als auch die Staatsanwaltschaft Lüneburg, Zweigstelle Celle, beteiligt. Die Polizeiinspektion Göttingen hat die Anfrage der Justizvollzugsanstalt Rosdorf vom 22.05.2014 zuständigkeitshalber an die Polizeidirektion Hannover weiter-geleitet.

Nach Nummer 39 Abs. 2 VGO waren von der Justizvollzugsanstalt Rosdorf weder die Polizeidienststelle in Göttingen noch die Polizeidienststelle in Hannover über den nachfolgend bewilligten Begleitausgang des Sicherungsverwahrten zu unterrichten.

Artikel-Informationen

erstellt am:
24.10.2014

Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181

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