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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz zu TOP 50 der 957. Sitzung des Bundesrates:

„Entwurf eines Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen und zur Änderung des Einkommensteuergesetzes“


Es gilt das gesprochene Wort!


„Bereits im Jahr 2012 und erneut im Sommer 2015 hat der Bundesrat die Rehabilitierung und Entschädigung der Menschen gefordert, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilt worden sind. Diese strafrechtlichen Verurteilungen haben bei den Betroffenen unermessliches Leid ausgelöst. Sie haben die Intimsphäre verletzt und Details aus dem Sexualleben in die Öffentlichkeit getragen. Die Verurteilten waren infolge dessen Repressalien etwa am Arbeitsplatz und einer breiten gesellschaftlichen Stigmatisierung ausgesetzt. An dieses Leid und diese menschlichen Folgen möchte ich heute noch einmal ausdrücklich erinnern.


Die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller entsprach damals dem geltenden Recht. Dieses Recht war aber - wie wir alle heute klar erkennen - seinerseits Unrecht. Es war und ist nicht Aufgabe des Strafrechts, eine bestimmte Sexualmoral zur rechtlichen Norm zu erklären. Aufgabe des Strafrechts ist der Rechtsgüterschutz. Wo keine Verletzung von Rechtsgütern droht, haben strafrechtliche Sanktionen keinen Platz. Der Staat des Grundgesetzes respektiert die sexuelle Orientierung des Einzelnen.


Vor diesem Hintergrund begrüße ich es sehr, dass sich die Bundesregierung die Rehabilitierung strafrechtlich verurteilter Homosexueller zur Aufgabe gemacht und diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Ungeachtet einzelner Kritikpunkte ist der Entwurf gut gelungen. Er rehabilitiert die Betroffenen und sieht eine Entschädigungsregelung vor, die den Betroffenen eine pauschalierte - wenn auch nur symbolische - Entschädigung zukommen lässt. Allerdings ist hier ein höherer Betrag geboten. Damit werden selbstverständlich nicht annähernd die Schäden ausgeglichen, die die Verurteilungen verursacht haben. Die Verurteilungen liegen in vielen Fällen fünfzig Jahre und länger zurück. Für eine individuelle Entschädigungsregelung bestünden erhebliche Beweisschwierigkeiten und die Betroffenen befinden sich vielfach im fortgeschrittenen Alter - teilweise sind sie hochbetagt. Eine schnelle unbürokratische Entschädigungsleistung hat daher absolute Priorität. Dieses Ziel trägt der Gesetzentwurf mit einer - allerdings zu erhöhenden - pauschalisierten Entschädigungsregelung Rechnung.


Nachbesserungsbedarf sehe ich allerdings im Hinblick auf die Löschung der Verurteilungen aus dem Bundeszentralregister. Eine solche Löschung soll nach dem Gesetzentwurf nur dann erfolgen, wenn ein Urteil vollständig aufgehoben wird. Wird ein Urteil hingegen nur teilweise aufgehoben, weil die Verurteilung auch wegen weiterer Strafvorschriften, die nicht Gegenstand dieses Gesetzes sind, erfolgte, soll dies im Bundeszentralregister nicht kenntlich gemacht werden. Das ist für die Betroffenen schwer zu akzeptieren, weil der Strafmakel insofern weiter bestehen bleibt. Ich bitte die Bundesregierung dringend, diesen Gesichtspunkt im weiteren Verfahren zu berücksichtigen.


Der Gesetzentwurf stellt einen weiteren, sehr zu begrüßenden und notwendigen Schritt zur Anerkennung der sexuellen Identität aller Menschen dar. Die rechtliche Diskriminierung Homosexueller ist damit allerdings nicht vollständig beseitigt ist. Ein Beispiel: Bereits im Herbst 2015 hat der Bundesrat die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gefordert und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf steckt im Bundestag aufgrund von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalition fest. Das bedauere ich außerordentlich. Es ist nicht akzeptabel, dass das Eherecht gleichgeschlechtliche Paare weiterhin diskriminiert. Es ist höchste Zeit, dass es auch hier vorangeht.“


Ministerin im Bundesrat

Artikel-Informationen

erstellt am:
12.05.2017

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Ehsan Kangarani

Nds. Justizministerium
Referent für Öffentlichkeits- und Pressearbeit
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5077
Fax: 0511 / 120-5181

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