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„Die Belastung und Ausstattung der niedersächsischen Justiz“

Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz im Niedersächsischen Landtag am 15.09.2016 zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP


„Eine gute und bedarfsgerechte Personalausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist ein besonderes Anliegen der Landesregierung. Denn nur eine leistungsfähige und effiziente Justiz ist in der Lage, die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.

Das gilt für die Ausstattung mit der Grundausrichtung auf PEBB§Y.

Die Landesregierung wird auch künftig dafür Sorge tragen, dass selbst kurzfristige und vorübergehende Belastungsspitzen durch einen erhöhten Personaleinsatz ausgeglichen werden können.

Ein Beleg dafür ist der von der Landesregierung eingebrachte Haushaltsplanentwurf 2017/2018. Er enthält, wenn ihn das Hohe Haus beschließt, allein 169 neue Stellen zur Minderung der durch PEBB§Y nachgewiesenen Belastung. Hinzu kommen 53 weitere aufgabenbezogene Personalverstärkungen und 92 Aufhebungen oder Verlängerungen von kw-Vermerken. Insgesamt ergeben sich somit 314 Verbesserungen zugunsten des Personalhaushalts.

Das auf die Anfrage der FDP-Fraktion zusammengestellte statistische Material zeigt, dass die Justiz in Niedersachsen auch jetzt schon sehr gut aufgestellt ist. Mit den für die Haushaltsjahre 2017 und 2018 getroffenen Maßnahmen tragen wir dafür Sorge, dass dieses auch in Zukunft so sein wird. Wenn sich das statistische Material näher anschauen, werden Sie feststellen, dass die niedersächsische Justiz die Verfahren zügig und schnell erledigt. Soweit sich bei einzelnen Gerichten und Staatsanwaltschaften Abweichungen vom Landesdurchschnitt finden, ist dies nach Mitteilung der Gerichte und Staatsanwaltschaften regelmäßig mit lokalen Besonderheiten zu erklären. Die Gerichte und Staatsanwaltschaften weisen darauf hin, dass es in allen Verfahrensbereichen immer wieder umfangreiche und besonders schwierige Verfahren gibt, die ein Gericht oder eine Staatsanwaltschaft besonders belasten und daher einen besonderen Personal und Arbeitseinsatz benötigen.

Im Zusammenhang mit der Bewertung von statistischem Material möchte ich aber noch folgendes bemerken:

Wie Ihnen sicherlich aufgefallen ist, haben wir die große Anfrage der FDP-Fraktion in Rekordzeit beantwortet. Sie haben die Anfrage kurz vor den Sommerferien gestellt und bereits zur ersten Sitzung des Landtages nach der Sommerpause lag die Antwort vor. An dieser Stelle gilt mein Dank den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Gerichten und Staatsanwaltschaften, aber auch meines Hauses, die hieran mitgewirkt haben.

Hinsichtlich der 2. und der 3. Frage musste eine aufwändige Sonderauswertung durch das Landesamt für Statistik Niedersachsen durchgeführt werden, für die ich ebenfalls danke. Diese Sonderauswertung ist erforderlich gewesen, weil Sie in der Großen Anfrage von den bundesweit einheitlichen Tabellen abgewichen sind und nach zusätzlichen, nicht automatisch abrufbaren Stufen über die Dauer von Verfahren gefragt haben. Im Nachhinein hat sich - wie erwartet - bestätigt, dass diese zusätzlichen Auswertungen über lange Verfahrensdauern lediglich wenige Verfahren betreffen und sich mit den eben erwähnten lokalen Besonderheiten erklären lassen.

In Niedersachsen haben wir im letzten Jahr im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation gezeigt, dass wir besondere Belastungen in der Justiz professionell und besonnen managen:

Die Klageeingänge in Asylverfahren haben sich seit 2013 verdoppelt und die Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Asylverfahren mehr als verdreifacht. Wir haben nicht nur zügig reagiert, sondern den erforderlichen Personaleinsatz von Anfang an vorausschauend geplant!

Die niedersächsischen Verwaltungsgerichte wurden bereits über den 1. Nachtragshaushalt 2015 mit neun zusätzlichen Richterstellen und acht Beschäftigungsmöglichkeiten für Serviceeinheiten personell verstärkt. Darüber hinaus wurden für die Verwaltungsgerichte mit dem Haushalt 2016 nochmals insgesamt 21 Richterstellen, zwei Stellen für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sowie 22 Beschäftigungsmöglichkeiten für Serviceeinheiten zusätzlich veranschlagt. Von diesen insgesamt 45 in einem Stufenkonzept neu geschaffenen Stellen waren zehn bereits zum 1. Januar, zwölf zum 1. April 2016 und elf zum 1. Juli nutzbar. Die restlichen zwölf sind zum 1. Oktober 2016 besetzbar.

Dadurch haben wir für eine durchgehend arbeits- und leistungsfähige Verwaltungsgerichtsbarkeit gesorgt!

Sie sehen das auch daran, dass sich die durchschnittliche Verfahrensdauer in Asylverfahren kaum verändert hat. So betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer in den Asyl- Klageverfahren im Jahre 2013 noch 10,1 Monate, im Jahr 2014 9,2 Monate und im Jahr 2015 8,9 Monate.

Bei den Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz ist die Entwicklung ebenfalls positiv. Hier betrug die Verfahrensdauer im Jahre 2013 0,6 Monate, im Jahre 2014 0,8 Monate und im Jahre 2015 0,7 Monate.

Auch, wenn wir nicht in die Zukunft sehen können! Und auch, wenn die Entwicklung der Fallzahlen in Asylstreitverfahren nicht zuverlässig prognostiziert werden kann, weil sie nicht nur von der tatsächlichen Anzahl der Geflüchteten, sondern auch von der Anzahl und dem Inhalt der Entscheidungen des BAMF abhängig ist:

Wir haben Vorsorge getroffen, um trotz unsicherer Prognosen zur Entwicklung der Flüchtlingssituation in Niedersachsen dennoch flexibel und situationsangemessen auf den Personalbedarf in der Verwaltungsgerichtsbarkeit reagieren zu können. Der Haushaltsplan 2016 enthält eine Überschreitungsermächtigung, die die Justiz ermächtigt, das ansonsten verbindlich festgelegte Beschäftigungsvolumen um bis zu 100 Vollzeiteinheiten zu überschreiten. Diese Ermächtigung kann im Bedarfsfall für 48 im Haushaltsplan 2016 ausgebrachte Richterstellen, zwei Stellen der Laufbahngruppe 2, 1. EA und für 50 Beschäftigungsmöglichkeiten genutzt werden. Die Deckung der Personalkosten erfolgt bei Inanspruchnahme aus zentralen Mitteln des Einzelplans 13.

Seit dem 1. Juni 2016 wird diese Überschreitungsermächtigung auch im Umfang von sechs Richterkräften und zwei Kräften aus dem Bereich der Serviceeinheiten in Anspruch genommen, die jeweils für ein Jahr aus anderen Gerichtsbarkeiten in die Verwaltungsgerichtsbarkeit abgeordnet sind. Die freiwerdenden Stellen in den abordnenden Gerichten und Staatsanwaltschaften können sofort wieder besetzt werden. Eine weitergehende Inanspruchnahme der Überschreitungsermächtigung im Jahr 2016 wird bedarfsorientiert unter Berücksichtigung der jeweiligen Eingangs- und Bestandsentwicklung bei den Verwaltungsgerichten erfolgen.

Anhand dieses Beispiels zeigt sich, wie vernünftiges flexibles Personalmanagement in der niedersächsischen Justiz unter meiner Leitung funktioniert!

Eine weitere Herausforderung, der sich die Niedersächsische Justiz stellt, ist die Bewältigung des VW-Abgaskomplexes. Ich habe bereits in diesem Jahr im Rahmen der Haushaltsführung der Staatsanwaltschaft Braunschweig fünf zusätzliche Staatsanwaltsstellen zugewiesen. Vorsorge ist aber auch für den zivilrechtlichen Bereich zu treffen. Es sind bereits Klagen über Schadensersatzsummen eingegangen, die sich auf mehrere Milliarden Euro belaufen. Die Folgedienste bei dem Amts- und Landgericht Braunschweig wurden aus diesem Anlass um neun Vollzeiteinheiten verstärkt. Das von mir eingangs erwähnte Personalpaket für das kommende Haushaltsjahr umfasst darüber hinaus auch die Schaffung von weiteren sechs Richterstellen für die Einrichtung einer neuen Kammer bei dem Landgericht Braunschweig und die Einrichtung eines neuen Senats bei dem Oberlandesgericht Braunschweig.

In den Zeitungen können wir viel darüber lesen, was möglicherweise noch auf die Braunschweiger Justiz zukommen könnte. Vieles davon ist Spekulation. Ähnlich wie bei der Frage der Bewältigung der Asylproblematik vor einem Jahr stehen wir vor der Situation, dass wir Instrumente schaffen müssen, mit denen wir auf entstehende Bedarfe schnell und flexibel reagieren können. Ich will und kann an dieser Stelle den parlamentarischen Beratungen nicht vorgreifen. Ich bin mir aber sicher, dass wir gemeinsam Lösungen finden werden, die die uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit der von den Klagebestrebungen möglicherweise betroffenen Justizbehörden jederzeit gewährleisten.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf eine große Herausforderung zu sprechen kommen, die unmittelbar bevor steht und bei deren Bewältigung wir bereits ein gutes Stück vorangekommen sind.

Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten verpflichtet die Justiz und insbesondere die Anwaltschaft, spätestens ab 2022 ausschließlich elektronisch miteinander zu kommunizieren. In den Fachgerichtsbarkeiten ist das jetzt bereits der Fall.

Innerhalb der niedersächsischen Justiz wurden die Kompetenzen für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Programm „elektronische Justiz Niedersachsen“ (eJuNi) gebündelt.

In den kommenden Jahren sollen durch dieses Programm der elektronische Rechtsverkehr und die elektronische Akte sukzessive bei allen niedersächsischen Gerichten eingeführt werden. Um dies technisch, organisatorisch und wirtschaftlich klug zu gestalten und in der Übergangsphase die Funktionsfähigkeit der Justiz aufrechtzuerhalten zu können, sind vielfältige Maßnahmen erforderlich. Die flächendeckende Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Die Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungsprozesse werden der Justiz auch in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen.

Bereits jetzt hat sich gezeigt, dass es vorteilhaft war, alle Beteiligten frühzeitig in das Programm eJuNi einzubinden. Die Umsetzung wird nach dem Prinzip „Qualität geht vor Schnelligkeit“ erfolgen. Das Programm eJuNi muss neben den technischen Aufgaben auch den Kulturwandel aktiv steuern und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei unterstützen.

Die Umstellung auf eine umfassende elektronische Bearbeitung wird durch eine langfristig angelegte Verstärkung des IT-Personals und eine Erhöhung der Sachmittel im Bereich der Informationstechnik gewährleistet. Im Haushaltsplanentwurf sind für die kommenden zwei Jahre und im MiPla Zeitraum bis zum Jahr 2020 zusätzliche Sachmittel in erheblichem Umfang eingeplant. Sie ergänzen damit die bereits in den Jahren 2015 und 2016 von der Landesregierung für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zur Verfügung gestellten Sachmittel in Höhe von insgesamt 11,3 Mio. EUR.

Um die Aufgaben bewältigen zu können, sind gestaffelt über die Jahre 2014 bis 2016 zudem 20,5 zusätzliche Stellen auf Bearbeiterebene im Zentralen IT-Betrieb der Justiz geschaffen worden. Außerdem gibt es zwei Referentenstellen und eine Sachbearbeiterstelle im Justizministerium, die bis zum Ende des Jahres 2022 befristet sind. Weitere sieben Stellen im Zentralen IT-Betrieb sind für das Jahr 2018 sowie eine befristete Stelle für den Programm-Manager für das Jahr 2017 vorgesehen.

Sie sehen: Die Justiz in Niedersachsen ist zukunftssicher aufgestellt. Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass es so bleibt.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!“

Ministerin Niewisch-Lennartz im Landtag   Bildrechte: brauers.com

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.09.2016

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