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Antwort der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz auf die Dringliche Anfrage der Fraktion der CDU „Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats - hat die Landesregierung ein Problem mit kritischem Journalismus?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18. Mai 2017, Dringliche Anfrage (TOP 19 b)


Es gilt das gesprochene Wort!



„Eine funktionierende Demokratie lebt davon, dass ihre Bürger informiert sind. Dies setzt eine freie Presse voraus! Demokratie ohne freie Presse ist nicht denkbar. Sie kann ihre Funktion nur dann erfüllen, wenn sie Zugang zu Informationen hat.

In Ermittlungsverfahren, die den Verrat von Dienstgeheimnissen zum Gegenstand haben, bewegen wir uns im Spannungsfeld zwischen der strafprozessualen Pflicht zur Aufklärung strafrechtlich relevanten Verhaltens auf der einen Seite und der Arbeit der freien Presse auf der anderen Seite.

Dabei gilt es mit Respekt vor der besonderen Funktion der Presse und ihrem von der Verfassung gewährten Schutz vorzugehen. Presse- und Rundfunkfreiheit sind ebenso wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit durch Art. 5 des Grundgesetzes garantiert. Schon der Anschein von Schikane oder gar Einschüchterung verbietet sich!

Auf der anderen Seite ist die Staatsanwaltschaft gesetzlich verpflichtet, alle Ermittlungsansätze auszuschöpfen. Dies gilt auch für die Straftat der Verletzung des Dienst­geheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353b StGB. Diese Norm untersagt es Amtsträgerinnen und Amtsträgern, ein Geheimnis, das ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft bekannt geworden ist, unbefugt zu offenbaren. Das damit geschützte staatliche Interesse am Schutz von behördlichen Informationen vor unbefugter Kenntnisnahme ist für die Funktionsfähigkeit eines demokratischen Staatswesens von beachtlichem Gewicht.

In Zusammenhang mit den Untersuchungsgegenständen des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) des Nds. Landtages sind im Nds. Ministerium für Inneres und Sport verschiedene Presseberichte bekannt geworden. Denen war zu entnehmen, dass den Medien Unterlagen bzw. Informationen vorlagen, die zuvor als Aktenvorlagegemäß Artikel 27 Abs. 2 i. V. m. 24 Abs. 2 Niedersächsische Verfassung dem Landtag übergeben wurden und die der Geheimhaltung unterliegen oder zu denen die Landesregierung den Landtag in nichtöffentlicher Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes in gemeinsamer Sitzung mit dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und des Ausschuss für Inneres und Sport unterrichtet hat.

Die betreffenden Anhaltspunkte für die Verletzung von Dienstgeheimnissen und besonderer Geheimhaltungspflichten wurden von Polizeivollzugsbeamten der Stabsstelle PUA des Nds. Ministerium für Inneres und Sport jeweils entsprechend des Legalitätsprinzips gem. § 163 StPO der Staatsanwaltschaft Hannover zur Prüfung (möglicher) Straftaten vorgelegt.

Das strafprozessuale Legalitätsprinzip bedeutet Ermittlungs-zwang. Die Staatsanwaltschaft ist gemäß § 152 Abs. 2 StPO verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende Anhaltspunkte für diese vorliegen. Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie den Sachverhalt gemäß § 160 Abs. 1 StPO zu erforschen.

Das in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 StPO geregelte Zeugnisverweigerungsrecht für Journalistinnen und Journalisten zielt darauf, das Spannungsverhältnis zwischen der Presse- und Rundfunkfreiheit einerseits und den Belangen der Strafrechtspflege andererseits aufzulösen.

Aufgrund der Strafanzeigen des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport führt die Staatsanwaltschaft Hannover Ermittlungen gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353b StGB im Zusammenhang mit dem 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Die Ermittlungen dauern noch an. Die Staatsanwaltschaft Hannover ist in diesem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt an insgesamt sieben Journalisten und einen Landtagsabgeordneten herangetreten, die als Zeugen in Betracht kommen.

Dies ist in vier Fällen durch Ladungen und in ebenfalls vier Fällen durch Übersendung von Anhörungsbögen erfolgt. Angaben zur Sache hat keiner der genannten Zeugen gemacht.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover hat gegenüber der Presse betont, der Staatsanwaltschaft sei bewusst gewesen, dass die Erfolgsaussichten für eine Aussage der Journalisten gering gewesen seien, aber man habe sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, nichts gegen Geheimnisverrat unternommen zu haben.

Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sahen sich dem Legalitätsprinzip und dem daraus folgenden Gebot umfassender und neutraler Sachverhaltsaufklärung verpflichtet!

Mein Haus hat die Thematik aufgegriffen und die Staatsanwaltschaften aktuell noch einmal auf das sensible Spannungsfeld zwischen Berufsgeheimnissen und Pressefreiheit einerseits sowie den Erfordernissen der Strafrechtspflege andererseits hingewiesen. Meine Strafrechtsabteilung hat die niedersächsischen Staatsanwaltschaften um einen möglichst sensiblen Umgang mit nach § 53 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Personen gebeten. Die Verantwortung für die Führung der Ermittlungen liegt bei der jeweiligen Staatsanwaltschaft. Unter der Aufsicht der Generalstaatsanwaltschaften haben sie zu entscheiden, welche Ermittlungsmaßnahmen erforderlich sind.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1 und 3:

Justizielle Statistiken, denen zu entnehmen wäre, ob Journalisten oder Abgeordnete in Verfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353b StGB als Zeugen oder Beschuldigte beteiligt waren, vorgeladen oder angehört worden sind oder einen Anhörungsbogen erhalten haben, werden nicht geführt. Zur Beantwortung dieser Fragen wäre daher eine händische Einzelauswertung erforderlich, die zur Beantwortung einer Dringlichen Anfrage in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden kann.

Hinsichtlich der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353b StGB im Zusammenhang mit dem 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss kann ich auf meine vorherigen Ausführungen Bezug nehmen.

Im Übrigen ist mir noch Folgendes berichtet worden: Im Zusammenhang mit den damaligen Ermittlungen gegen den Altbundespräsidenten Christian Wulff hat die Staatsanwaltschaft Hannover in insgesamt drei Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt an insgesamt zwei Medien-Verlage ein Auskunftsersuchen gerichtet. Beide Anfragen sind unter Hinweis auf Zeugnisverweigerungsrechte nicht beantwortet worden.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat im September 2014 in einem anderen Ermittlungsverfahren bei einer Redaktion um namentliche Benennung des verantwortlichen Redakteurs eines Artikels gebeten. Die erbetene Mitteilung ist unter Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht verweigert worden.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat 2013 in einem Ermittlungsverfahren einen Landtagsabgeordneten als Zeugen vernommen, der auch Angaben zur Sache gemacht hat.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat 2014 in einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt beabsichtigt, einen Journalisten als Zeugen zu vernehmen. Dieser hat unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht keine Angaben gemacht.

Weiterhin wurde seitens des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport mitgeteilt, dass im Mai 2016 durch das Landeskriminalamt Niedersachsen aufgrund eines durch die Staatsanwaltschaft Hannover eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung eines Anfangsverdachts wegen § 353b StGB ein Journalist als Zeuge vorgeladen und vernommen wurde.

Zu 2:

Meine Staatssekretärin ist am 07.12.2016 darüber informiert worden, dass die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen eines möglichen Geheimnisverrats im Zusammenhang mit dem 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss führt. Ich habe am 12.12.2016 über das gegen Unbekannt eingeleitete Ermittlungsverfahren Kenntnis erlangt. Eine Information über die tatsächliche Vorladung von Journalisten erfolgte nicht.

Eine Information über ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt erfolgte am 09.01.2017 durch Kenntnisnahme meiner Staatssekretärin und durch mich selbst am 12.01.2017. Eine Information über die tatsächliche Vorladung von Journalisten erfolgte wiederum nicht.

Eine Information an die Staatssekretärin und mich über die Ladung mehrerer Journalisten erfolgte erst im Zusammenhang mit der Presseberichterstattung am 03.05.2017.

Der Innenminister und sein Staatssekretärwurden darüber informiert, dass von Polizeivollzugsbeamten der Stabsstelle PUA jeweils die ihnen bekannt gewordenen strafrechtlich relevanten Sachverhalte der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt wurden. Sie wurden ebenfalls nicht über die o. g. Vorladung des Journalisten bzw. die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechtes informiert.

Herr Ministerpräsident Weil hat erst am 03.05.2017 aus der Presse von den Vorgängen erfahren. Auch die übrigen Mitglieder der Landesregierung sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre haben von den Vorgängen lediglich aus den Medien erfahren.

Von dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Oldenburg im Jahr 2013, in dessen Rahmen später ein Landtagsabgeordneter als Zeuge vernommen wurde, haben in der laufenden Legislaturperiode am 26.02.2013 die damalige ständige Vertreterin des Justizstaatssekretärs und ich selbst erstmals im Zusammenhang mit der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Einstellung des Verfahrens Kenntnis erhalten.“

Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hält eine Rede im Landtag   Bildrechte: Sven Brauers

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.05.2017

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Ehsan Kangarani

Nds. Justizministerium
Referent für Öffentlichkeits- und Pressearbeit
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5077
Fax: 0511 / 120-5181

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