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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Zivilklagen gegen Volkswagen wegen der „Dieselproblematik“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. August 2016, Mündliche Anfrage Nr. 36


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 36 der Abgeordneten Mechthild Ross-Luttmann und Lutz Winkelmann (CDU):

Vorbemerkung des Abgeordneten

Die Juli-Ausgabe der Zeitschrift Finanztest der Stiftung Warentest berichtet über eine Stiftung und einen Inkasso-Dienst, die gegen die Volkswagen AG Schadensersatzansprüche wegen der „Dieselproblematik“ durchsetzen wollen. So soll der amerikanische Anwalt Michael D. Hausfeld einen Inkasso-Dienst für Verbraucher initiiert haben. Ohne dass die Kunden eigene Kosten hätten, soll dieser Schadenersatzansprüche durchsetzen, von denen dann 35 % als Provision einbehalten würden. Die Süddeutsche Zeitung vom 26. Juli 2016 („Ich zeig’s euch“) berichtet, dass dieser amerikanische Anwalt das für VW zuständige Landgericht in Braunschweig mit zehntausenden Einzelklagen überschwemmen wolle, damit das Gericht die Klagen zu einem einzigen Sammelklage ähnlichen Verfahren bündeln müsse.

Weitere Anwaltskanzleien werben um Mandate von enttäuschten VW-Kunden. Eine niederländische Stiftung möchte laut Finanztest eine Art Sammelklage in den Niederlanden nach dem niederländischen Gesetz über die kollektive Abwicklung von Massenschäden erreichen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Eine „Sammelklage“ ist als solche im deutschen Zivilprozessrecht nicht vorgesehen. Mehrere Personen könnten unter den Voraussetzungen der §§ 59, 60 Zivilprozessordnung ihre -etwaigen- Ansprüche in einem Rechtsstreit zusammenfassen und sie als sogenannte Streitgenossen verfolgen. Ferner könnte eine Klagepartei mehrere gleichgerichtete Ansprüche - z.B. aus abgetretenem Recht - mit einer einheitlichen Klage geltend machen. In beiden Fällen wäre das angerufene Gericht an die Zusammenfassung nicht gebunden, sondern könnte nach § 145 Zivilprozessordnung die Trennung in einzelne Verfahren beschließen. Umgekehrt könnte ein Gericht, bei dem mehrere separate Klagen anhängig gemacht worden sind, diese gemäß §§ 147, 260 Zivilprozessordnung zur gemeinsamen Verhandlung und ggf. gemeinsamen Entscheidung verbinden. Die Verfahrensentscheidung über eine Prozesstrennung oder -verbindung stünde jeweils grundsätzlich im Ermessen des Gerichts.

Dies vorausgeschickt, beantwortet die Landesregierung die Fragen wie folgt:

1. Was weiß die Landesregierung über Versuche von Rechtsanwälten aus dem In- und Ausland, Schadensersatz von der Volkswagen AG einzuklagen?

Nach Mitteilung des Landgerichts Braunschweig sind dort derzeit (Stand: 12.8.2016) insgesamt 66 Rechtsstreitigkeiten anhängig, mit denen Erwerber von betroffenen Fahrzeugen konzernangehöriger Marken - behauptete - Ansprüche auf Mängelgewährleistung oder Schadensersatz sowohl gegen VW als Hersteller oder Verkäufer der Fahrzeuge als auch gegen VW-Vertragshändler geltend machen. Daneben seien dort derzeit 170 Schadensersatzklagen von Anlegern gegen VW erhoben worden. Ausweislich der auf der Website des Landgerichts Braunschweig eingestellten Pressemitteilung vom 8.8.2016 handelt es sich hierbei überwiegend um Klagen von privaten Anlegern. Die Streitwerte aller bisher eingereichten Anlegerklagen sollen sich auf insgesamt knapp 4 Milliarden Euro belaufen.

Für etwaige weitere Gewährleistungs- oder Schadensersatzklagen gegen private oder gewerbliche Verkäufer von betroffenen Fahrzeugen können bundesweit Gerichtsstände eröffnet sein.

Des Weiteren ist der Landesregierung aus allgemein zugänglichen Quellen (Internet) folgendes bekannt:

In den mit der Anfrage in Bezug genommenen Presseberichten wird auf Initiativen zur Unterstützung der Käufer von Fahrzeugen des VW-Konzerns bei der Geltendmachung ‑ vermeintlicher - Schadensersatzansprüche gegen den Konzern verwiesen. Diese Initiativen - ein Inkassodienstleister sowie nach niederländischem Recht gegründete Stiftungen - stellen sich im Internet auf ihren Websites dar. Danach treten sie - anders als ebenfalls im Internet vertretene Rechtsanwaltskanzleien, die teilweise mit entsprechender Zielsetzung eine klassische anwaltliche Beratung im Rahmen von Einzelmandaten anbieten - jeweils für ein als „Sammelklage“ bezeichnetes Verfahren ein.

Der im Jahr 2014 gegründete, bei dem Amtsgericht Hamburg registrierte Rechtsdienstleister für den Bereich der Inkassodienstleistungen „Financialright GmbH“ - im Internet auftretend unter seiner Marke „MyRight“- bietet ausweislich seiner Eigendarstellung den Haltern von vor dem 18.9.2015 erworbenen betroffenen Fahrzeugen die Geltendmachung etwaiger Ansprüche gegen den Konzern (nur) wegen -behaupteter- unerlaubter Handlung gegen Erfolgshonorar an. Der Inkassodienstleister wolle aus ihm treuhänderisch abzutretendem Recht der Kunden vorgehen mit dem primären Ziel der außergerichtlichen Durchsetzung vermeintlicher Entschädigungsansprüche, ggf. im Wege des Vergleichs. Für den Fall der Erfolglosigkeit dieser Bemühungen solle versucht werden, die Ansprüche mittels Zusammenfassung von gleichartigen Ansprüchen verschiedener Kunden in einem Verfahren gerichtlich geltend zu machen. Sowohl das außergerichtliche als auch das gerichtliche Vorgehen erfolge in Zusammenarbeit mit der deutschen Niederlassung der Kanzlei Hausfeld Rechtsanwälte LLP in Berlin. Der Kunde verpflichte sich zur Zahlung einer Erfolgsprovision in Höhe von 29,41% netto/35% brutto auf tatsächlich durchgesetzte Beträge. Für den Fall der Erfolglosigkeit der Tätigkeit sollen für den Kunden keine Kosten entstehen.

Ein Erfolgshonorar von 15% oder 18% sollen Teilnehmer zahlen, die sich bei einer der nach niederländischem Recht gegründeten Stiftungen registrieren, welche für die Kunden mit dem VW-Konzern über Entschädigungszahlungen verhandeln wollen. Die den Stiftungen eingeräumten Kompetenzen sind unterschiedlich ausgestaltet. Im Vordergrund sollen Bemühungen um eine Einigung mit dem Konzern stehen; sekundär werde die Erhebung einer Gruppenklage - wohl nach niederländischem Recht in den Niederlanden - erwogen.

2. Bereitet die Landesregierung die Verstärkung der betroffenen Gerichte bereits vor? Wenn ja, wie?

Das Niedersächsische Justizministerium beobachtet gemeinsam mit dem Oberlandesgericht Braunschweig die laufende Entwicklung. Derzeit ist noch nicht absehbar, in welchem Umfang ggf. ein personeller Mehrbedarf im Justizbereich entstehen könnte.

Die Landesregierung wird die uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit der von den Klagebestrebungen möglicherweise betroffenen Justizbehörden jederzeit gewährleisten. Sie wird im Bedarfsfall im Laufe der Haushaltsberatungen zum Haushaltsplanentwurf 2017/2018 Vorschläge für die Sicherstellung einer angemessenen Personalausstattung bei den betroffenen Justizbehörden in die parlamentarischen Gremien einbringen.

3. Was hat die Landesregierung bislang für die von der Dieselproblematik betroffenen Kunden getan?

Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und der Senator der Verbraucherschutzressorts der Länder haben sich auf der 12. Verbraucherschutzministerkonferenz am 22. April 2016 -unter Mitwirkung der niedersächsischen Landesregierung– mit der Dieselproblematik beschäftigt.

Unter dem Tagesordnungspunkt „Konsequenzen aus dem Abgasskandal für Verbraucherinnen und Verbraucher - Verbraucherrechte stärken“ haben sie den Verbraucherschutz in den Fokus genommen. Sie baten u.a. den Bund um eine umfassende Aufklärung über die im Raume stehenden Manipulationsvorwürfe bei Dieselfahrzeugen und um einen Bericht mit dem Ziel, dass sich solche Vorgänge in Zukunft nicht wiederholen und Manipulationen in Zukunft nicht mehr auftreten können.

Die Volkswagen AG hat mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ein Umrüstungskonzept für die von der Manipulation an Dieselmotoren betroffenen Fahrzeuge des Konzerns in Deutschland abgestimmt. Die entsprechenden Maßnahmen werden nur nach Freigabe durch das KBA durchgeführt. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Fahrzeuge durch die Maßnahmen zur Nachbesserung die gesetzlichen Anforderungen und Umweltnormen erfüllen.

Im Weiteren wird auf die Landtagsdrucksache 17/5030 (Antwort zur mündlichen Anfrage Nr. 53), Landtagsdrucksache 17/5661 (Antwort zu Frage 3), Landtagsdrucksache 17/5675 (Antwort zur mündlichen Anfrage Nr. 4) verwiesen.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.08.2016

Ansprechpartner/in:
Frau Wiebke Israel

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511/120 - 5044

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