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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Lange Wartezeiten bei Gutachten in Gerichtsprozessen - Wie soll dieser Engpass behoben werden?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 3. Februar 2017, Mündliche Anfrage Nr. 45


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 45 der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Jörg Bode, Dr. Stefan Birkner und Jan-Christoph Oetjen (FDP):

Vorbemerkung der Abgeordneten

Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung mit Berufung auf den Niedersächsischen Richterbund berichtet, fehlen in Niedersachsen rund 100 Richter und Staatsanwälte. Außerdem würden Gerichtsprozesse teilweise deutlich verzögert, da nicht genug Gutachter zur Verfügung stünden. Besonders bei DNA-Gutachten würden lange Wartezeiten entstehen. Deshalb besteht seitens des NRB der Vorschlag, ein Pilotprojekt einzurichten, bei dem sich drei bis fünf Gutachter ausschließlich um gerichtliche Gutachten kümmern sollen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Anfrage nimmt Bezug auf einen im Dezember 2016 von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Artikel, dessen Überschrift und Einleitung teilweise missverstanden werden könnten. Zur Klarstellung:

Der Personalbedarf in der niedersächsischen Justiz wird mit Hilfe des Personalberechnungssystems „PEBB§Y“ auf mathematisch-analytischer Grundlage ermittelt. Danach bestand zum 31.12.2015 im Bereich der niedersächsischen Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ein Bedarf von 2.566 Stellen. Vorhanden waren 2.467 Stellen. Mithin fehlten für eine vollständige bedarfsgerechte Ausstattung 99 Stellen.

Im Rahmen einer vorausschauenden Haushaltspolitik hat die Landesregierung den Stellenbestand im Richter- und Staatsanwaltsbereich zum 31.12.2016 auf 2.575 Stellen (einschließlich Stellenhülsen und Überschreitungsermächtigungen) erhöht. Insbesondere wurde damit dem zu erwartenden flüchtlingsbedingten Mehrbedarf Rechnung getragen.

Zum 31.12.2017 erhöht sich der Stellenbestand nochmals auf insgesamt 2.649 Stellen. Damit reagiert die Landesregierung insbesondere auf die Ergebnisse der „PEBB§Y“-Erhebung 2014 in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Staatsanwaltschaften und auf besondere Belastungssituationen und Herausforderungen (zum Beispiel die Flüchtlingssituation und den VW-Abgaskomplex).

1. Wie viele Richter- und Staatsanwaltsstellen sind in Niedersachsen zurzeit unbesetzt?

Eine kurzfristige Abfrage bei den Obergerichten und Generalstaatsanwaltschaften hat ergeben, dass in Niedersachsen derzeit 80 Richter- und Staatsanwaltsstellen unbesetzt sind. Dies entspricht - bezogen auf den Gesamtstellenbestand von 2.575 Stellen - einem Anteil von 3,11%.

Für einen großen Teil dieser Stellen läuft derzeit das Besetzungsverfahren bzw. dessen Beginn steht unmittelbar bevor. Weitere Stellen müssen im Rahmen der Personalbewirtschaftung als Reserve für Arbeitszeitaufstockungen sowie Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus Elternzeit und Beurlaubungen freigehalten werden.

2. Wie bewertet die Landesregierung den oben genannten Vorschlag hinsichtlich des Pilotprojektes?

Soweit der Niedersächsische Richterbund ausweislich des Artikels in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 28.12.2016 vorschlägt, „das Land sollte mal in einem Pilotprojekt drei bis fünf Psychiater einstellen, die sich ausschließlich um gerichtliche Gutachten kümmern“, bezieht sich dieser Vorschlag offensichtlich auf psychiatrische / psychologische Gutachten. Die Landesregierung hat den Vorschlag des Niedersächsischen Richterbundes zur Kenntnis genommen und wird diesen in die bevorstehenden Überlegungen mit einbeziehen.

3. Wie beabsichtigt die Landesregierung, den Engpass, insbesondere bei DNA-Gutachten, zeitnah zu beheben?

Die Landesregierung kann die Aussage, dass insbesondere (ausstehende) DNA-Gutachten des Landeskriminalamtes Niedersachsen Gerichtsprozesse teilweise deutlich verzögern würden, nicht nachvollziehen.

Zur Festlegung der Reihenfolge der Bearbeitung werden Anträge zur Untersuchung von DNA-Spuren im Kriminal-technischen Institut hinsichtlich Art und Schwere des zu Grunde liegenden Delikts priorisiert. Schwere oder sonst herausragende Delikte, insbesondere Straftaten aus dem Katalog des § 100a StPO, werden unverzüglich in die Bearbeitung genommen. Aufgrund der Komplexität der Delikte kann sich die Bearbeitung in Einzelfällen über einen längeren Zeitraum erstrecken. Teilergebnisse werden jedoch der sachbearbeitenden Dienststelle unverzüglich in geeigneter Form mitgeteilt.

Eine Abfrage bei den Sachverständigen der Fachgruppe „Molekulargenetische Untersuchungen“ hat ergeben, dass es im Jahr 2016 keine Beschwerden über die Bearbeitungsdauer von DNA-Spuren bei Straftaten der höchsten Priorität seitens eines Gerichts gegeben hat.

Alle anderen Straftaten werden hinsichtlich der Qualität der Spuren, des vorhandenen Tatverdachts und anderer qualitätsrelevanter Aspekte in zwei Gruppen priorisiert, d.h. in eine zeitliche Reihenfolge hinsichtlich des Beginns der Bearbeitung gebracht.

Durch vielfältige Maßnahmen in den vergangenen Jahren ist jedoch die Zeitspanne der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer erheblich reduziert worden.

Maßgebliches Erfolgsinstrument dabei ist die Beauftragung privater Untersuchungsstellen mit der Untersuchung von DNA-Spuren aus dem Bereich der einfachen und mittleren Kriminalität. Eine Auswertung der im Jahr 2016 an private Dienstleister abgegebenen DNA-Untersuchungsvorgänge hat ergeben, dass die durchschnittliche Bearbeitungszeit dort bei 60 Tagen liegt.

Zur weiteren Optimierung der Situation sind aktuell im Kriminaltechnischen Institut (KTI) neue Untersuchungsmethoden aufgebaut worden. Durch eine stark automatisierte Bearbeitung ausgewählter Arten von DNA-Spuren in Fällen der einfachen und mittleren Kriminalität wird das KTI mittels der Bereitstellung von Haushaltsmitteln von rund 310.000 Euro zur Beschaffung und den Einsatz der sog. „Hochdurchsatzroutine“ in die Lage versetzt, den ermittlungsführenden Dienststellen die Untersuchungsergebnisse mittels Gutachten in maximal 28 Tagen zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Veränderung der sog. „Untersuchungsstrategie“. Entsprechende neue Regelungen für den Umgang mit DNA-Spuren aus dem Segment der einfachen und mittleren Kriminalität sind mit Wirkung vom 01.01.2017 in Kraft getreten. Ziel ist es, in diesen Fällen durch eine deutlich intensivere Spurenkritik die Auswahl der zur Untersuchung vorgelegten DNA-Spuren auf die Fälle zu konzentrieren, in denen die Qualität des Spurenmaterials eine erfolgreiche molekulargenetische Untersuchung erwarten lässt. Erfolgskriterium ist dabei der Umstand, dass aus dem Spurenmaterial das DNA-Profil eines möglichen Tatverdächtigen herausgearbeitet werden kann und somit für einen nachfolgenden Abgleich mit der DNA-Analysedatei oder mit dem Profil eines möglichen Tatverdächtigen zur Verfügung steht.

Die Landesregierung sieht daher gegenwärtig keinen weiteren Handlungsbedarf im Bereich der Bearbeitung von DNA-Spuren aus schweren oder sonstigen herausragenden Fällen. Durch die Gewährleistung eines Parallelbetriebs zwischen der bisherigen Verfahrensweise der Beantragung und Bearbeitung von DNA-Spuren einschließlich der Einbeziehung privater Untersuchungsstellen und der Etablierung des neuen Untersuchungsverfahrens sind Verzögerungen bei der Bereitstellung der Untersuchungsergebnisse nicht zu erwarten.

„Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfragen zur schriftlichen Beantwortung (Drs. 17/5641) verwiesen.“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
03.02.2017

Ansprechpartner/in:
Frau Katja Josephi

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5044

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