Logo Niedersächsisches Justizministerium: zur Startseite Niedersachsen klar Logo

Antwort auf die Mündliche Anfrage: Ist das Projekt „Geldverwaltung statt Ersatzfreiheitsstrafe“ gefährdet?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. August 2016, Mündliche Anfrage Nr. 14


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 14 des Abgeordneten Burkhard Jasper (CDU):

Vorbemerkung des Abgeordneten

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen hat darauf hingewiesen, dass das in der Straffälligenhilfe in Niedersachsen realisierte Projekt „Geldverwaltung statt Ersatzfreiheitsstrafe“ durch das auf Bundesebene geplante Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II möglicherweise gefährdet sein könnte. Durch das Projekt seien allein 2015 insgesamt 26 810 Hafttage vermieden worden. Die positiven Auswirkungen für die Betroffenen und ihre Familien seien beträchtlich. Hinzu komme, dass die Staatsanwaltschaft 2015 Einnahmen in Höhe von 454 411 Euro erzielen konnte und Ausgaben in den Justizvollzugsanstalten verringert wurden.

Nach derzeitigem Stand könne durch die geplanten neuen Regelungen künftig der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht mehr abgetreten, übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Erste Jobcenter in Niedersachsen akzeptierten bereits keine Abtretungs- und Teilabtretungserklärungen mehr, die über das geplante Inkrafttreten des Gesetzes hinausgingen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Das Konzept für das Projekt „Geldverwaltung statt Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen“ des Ev.-Luth. Kirchenkreises Delmenhorst wurde seit 2005 modellhaft erprobt.

Das Konzept sieht vor, dass die Anlaufstellen für Straffällige im Rahmen ihrer Arbeit für zu einer Geldstrafe Verurteilte eine Geldverwaltung durchführen. Nach einer Aufstellung der monatlichen Einkünfte und Ausgaben wird dabei von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Anlaufstellen gemeinsam mit den Verurteilten eine realistische Ratenhöhe ermittelt und als Vorschlag der Vollstreckungsbehörde unterbreitet. Darüber hinaus können im Rahmen einer Geldverwaltung durch die Anlaufstelle zusätzlich zu den auf die Geldstrafe zu zahlenden Raten regelmäßige Zahlungen in Bezug auf Miete, Gas, Strom etc. und eine individuell auf den Bedarf des Verurteilten zugeschnittene Geldeinteilung vorgenommen werden. Dazu wird von der Anlaufstelle ein Verwahrgeldkonto für den Verurteilten eingerichtet. Als Sicherheit für einen erfolgreichen Verlauf der Ratenzahlungen tritt der Verurteilte in der Regel seinen Anspruch auf Sozialleistungen gegenüber dem Sozialleistungsträger nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I an die Anlaufstelle ab. Durch die Beratungen und sozialarbeiterischen Hilfestellungen der Anlaufstellen werden die Schuldner unterstützt, ihre Geldstrafe abzuzahlen. Hierdurch wird jährlich in vielen Fällen die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen vermieden.

Seit 1980 erhalten die Träger der Anlaufstellen für Straffällige im Wege der Projektförderung Landeszuwendungen. Zuwendungsbehörde ist der Ambulante Justizsozialdienst in Niedersachsen (AJSD). Das Land Niedersachsen beteiligt sich seit dem 1.1.1990 an den Personalkosten des zur Erfüllung von Beratungs- und Betreuungsaufgaben vorgehaltenen Personals der Anlaufstellen für Straffällige in Form einer Festbetragsfinanzierung. Derzeit erhalten 14 Anlaufstellen eine Förderung in einer Höhe von insgesamt 1.500.000 Euro. Die hierfür zu erbringenden Leistungen sind in einem Aufgabenkatalog festgeschrieben. Im Jahr 2010 wurde der vorbenannte Aufgabenkatalog um das Projekt „Geldverwaltung statt Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe“ erweitert.

Mit Erlass des Niedersächsischen Justizministeriums vom 26.11.2009, 4321 – S 3.30, wurde das Konzept zum 1.1.2010 landesweit eingeführt. Aus Sicht aller Beteiligten wird das Angebot durch die Anlaufstellen der Straffälligenhilfe seither erfolgreich umgesetzt.

Ziel des Projektes ist die Vermeidung von schädlichen Auswirkungen kurzer Freiheitsstrafen,

des Herausreißens des Verurteilten aus seinen sozialen Bezügen (Familie, Arbeitsverhältnis), von Stigmatisierung durch den Vollzug von Freiheitsstrafe, eines erheblichen administrativen Aufwandes im Strafvollzug sowie von Kosten für die Bereitstellung und Nutzung eines Haftplatzes.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

1. Wie beurteilt die Landesregierung das Projekt „Geldverwaltung statt Ersatzfreiheitsstrafe“?

Das Projekt wird seitens der Landesregierung als großer Erfolg angesehen.

Seit Projektbeginn im Jahr 2010 hat das Land Niedersachsen bis zum 31.12.2015 durch Vermeidung von Haft insgesamt 16.153.684,15 Euro eingespart, worauf im Jahr 2015 ein Betrag in Höhe von 3.745.834,40 Euro entfällt.

Für den Nutzen des Projektes spricht ebenso die Tatsache, dass laut Bericht des Expertenkreises der Straffälligenhilfe 80 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Maßnahme erfolgreich beenden. Aus der Statistik geht hervor, dass sich die Zahlen seit 2011 auf einem beständig hohen Niveau bewegen und das Projekt weiterhin großen Zulauf findet. So wurden im Jahr 2010 noch rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer betreut, während im Jahr 2015 bereits 1.775 Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Angebot wahrnahmen.

2. Besteht aktuell Handlungsbedarf, um das Projekt nicht zu gefährden?

Mit der zum 1.8.2016 in Kraft getretenen Neuregelung des § 42 SGB II wird in Absatz 4 Satz 1 bestimmt, dass der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht abgetreten, übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Zugleich sieht § 42 Abs. 4 Satz 2 SGB II vor, dass die Abtretung und Übertragung nach § 53 Abs. 2 SGB I hiervon unberührt bleibt. Für eine entsprechende Regelung hat sich die Landesregierung gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erfolgreich eingesetzt. Sie bietet die Möglichkeit, Ansprüche auf Geldleistungen zu übertragen, wenn festgestellt wird, dass die Übertragung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt. Vor diesem Hintergrund sind negative Auswirkungen der Gesetzesänderung auf das Projekt „Geldverwaltung statt Ersatzfreiheitsstrafe“ nicht bekannt. Zur Prüfung etwaiger Auswirkungen werden derzeit die in Niedersachsen mit dem Projekt befassten Träger beteiligt.

3. Wie wird sich die Landesregierung auf Bundesebene dazu positionieren?

Im Hinblick darauf, dass die durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgte Änderung des § 42 SGB II bereits in Kraft getreten ist, und vor dem Hintergrund der Antwort zu Frage Nummer 2 ist eine Positionierung der Landesregierung nicht mehr veranlasst.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.08.2016

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln